Mittwoch, 5. August 2009

Fokus Produkt - Wo es in der Industrie wirklich noch Kosten zu senken gibt

Auslagerung, Automatisierung und Personalabbau: So gut wie jedes Industrieunternehmen versucht verzweifelt Kosten zu senken. Und das nicht erst seit der leidigen Finanzkrise. Jedes Einsparungsfeld scheint schon erschlossen. Doch Oliver Jöbstl und Jürgen Gamweger - QM-Experte und Geschäftsführer der Successfactory - orten Einsparungspotentiale, wo man es
am wenigsten erwartet: Beim Produkt selbst!

Rund 80% der Kosten werden in der Entwicklungsphase eines Produktes
festgelegt


Viele Unternehmen haben in der Vergangenheit mehr oder weniger erfolgreich die Strategie verfolgt, durch Auslagerung von Produktionsbereichen in Billiglohnländern Kosten zu senken. Tatsache ist aber, dass ca. 80 - 90% der Produktlebenszykluskosten (Material-, Fertigungs-, Montage-, Entsorgungskosten etc.) in der Produktplanungs- und -konzeptionsphase
festgelegt werden. Die Basis für die Kostenverursachung bilden die Kundenanforderungen und die daraus abgeleiteten Funktionen und Eigenschaften. Intelligenz und sinnvoller Methodeneinsatz in der Produktentwicklung bilden also einen starken Hebel, wenn es um
Kosteneffizienz in der Produktion geht. Jöbstl identifiziert aus seiner langjährigen Erfahrung bei der Beratung internationaler Industrieunternehmen 4 grundlegende steneinsparungspotentiale.
Kosteneinsparungspotenzial Nr. 1: Bedarfsgerechte Produkte Der Kunde steht nicht nur aus Marketingsicht im Fokus der Produktentwicklung. Ein Fokus auf Kundenbedürfnisse kann auch
Einsparungspotentiale erschließen. Bevor mit einer Produktentwicklung begonnen werden darf, muss die Stimme des Kunden gründlich erfasst, analysiert und hinterfragt werden. Es ist sicher zustellen, dass die Kundenanforderungen auch tatsächlich verstanden werden, um unnötig hohe
Anforderungen zu vermeiden. Nicht technologische Wunderwerke sind gefragt, sondern kunden- und kostengerechte Lösungen. Dies setzt eine intensive Zusammenarbeit zwischen Marketing, Produktmanagement und Entwicklung voraus.

Kosteneinsparungspotenzial Nr. 2: ausreichende Berücksichtigung von Kostenaspekten bei der Konzeptauswahl.

Im Rahmen der Produktentwicklung stehen üblicherweise mehrerer Konzepte zur Auswahl. In der Praxis hat Oliver Jöbstl oft beobachtet, dass Entwickler ihren erklärten Lieblingslösungen (oftmals besonders innovative und anspruchsvolle Konzepte) den Vorzug geben. Dabei sollten gerade diese Entscheidungen auf Basis systematischer Analysen gewählt werden, mit Fokus
auf den gesamten Produktlebenszyklus. Ziel ist das beste Verhältnis von Funktionalität und Kosten zu erreichen.

Kosteneinsparungspotenzial Nr. 3: fehlerfreie und richtig dimensionierte Produkte auf Basis verstandener Wirkzusammenhänge

Unsicherheit über die Wirkungsweise von Produkten führt dazu, dass diese überdimensioniert und somit zu teuer ausgelegt werden. Somit ist fundiertes Ingenieurswissen heute gefragt denn je, um die Funktionsfähigkeit der Produkte mit Hilfe von technischen (physikalischen, chemischen etc.) und mathematischen Modellen berechenbar zu machen. Diese eigentliche
Entwicklungsarbeit verdient wieder mehr Aufmerksamkeit und ist die Voraussetzung dafür, ein wohldimensioniertes fehlerfreies Produkt zu gestalten, das für den Kunden auch preislich attraktiv ist. Leider ist in der Praxis oftmals zu beobachten, dass für diese Entwicklungsarbeit durch die Zunahme von Administration, Besprechungen, vorgeschriebenen Methoden und
aufwändigen Dokumentationen immer weniger Zeit bleibt.

Kosteneinsparungspotenzial Nr. 4: rechtzeitige Analyse eines Produktkonzeptes nach fertigungsrelevanten Gesichtspunkten

Unglaublich große Kosteneinsparungen können dann erzielt werden, wenn die Fertigungsexperten gemeinsam mit den Entwicklungsingenieuren das ausgewählte Produktkonzept auf "wirtschaftliche Fertigbarkeit" analysieren. Diese Kooperation zwischen Fertigung und Produktentwicklung darf aber nicht zu spät passieren. Ein gemeinsames Kick off und systematischer Austausch noch in der Frühphase der Entwicklung wirkt Wunder und fördert außerdem noch den Teamgeist im Unternehmen. So beklagt sich dann nicht mehr der Fertiger über den Marketer, der Marketer über den Entwickler, der Entwickler über den
Fertiger. Alle ziehen dann an einem Strang.

Ein Umdenken ist notwendig
Um diese Einsparungspotenziale zu erreichen, ist eine Änderung des Denkens notwendig. Abteilungsgrenzen zwischen Marketing, Produktmanagement, Entwicklung und Fertigung sind über Bord zu werfen. Im Fokus müssen einerseits der Kunde und deren berechtigten Erwartungen stehen, andererseits muss die Entwicklungsarbeit von dem Verlangen geprägt sein, das Produkt wirklich im Detail zu verstehen.

Design for Six Sigma

Dieser notwendige Wandel kann mit Hilfe von Design for Six Sigma erreicht werden. Six Sigma kennt man aus dem QM Bereich. Dabei geht es um die systematische Verbesserung von bestehenden Produkten und Prozessen, um das Ziel Null-Fehler zu erreichen. Ähnliche Methoden setzen Jöbstl und Gamweger in der Produktentwicklung ein, um Produkte und Prozesse von Beginn an fehlerfrei und kostengünstig zu entwickeln. Aus Six Sigma wird Design for Six Sigma.

Buchtipp: Jürgen Gamweger, Oliver Jöbstl, Manfred Strohrmann, Wadym Suchowerskyj
Design for Six Sigma
Kundenorientierte Produkte und Prozesse fehlerfrei entwickeln erschienen im Hanser Verlag

Veranstaltungstipp: Zertifizierter Lehrgang Produktentwicklung, 29.09.2009 - 01.10.2009 in Wien - Details auf http://www.confare.at/

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