„Geschichte der Zukunft“ heißt jener Bestseller, mit dem Erik Händeler zu einem der führenden Wirtschaftsanalysten im deutschsprachigen Raum wurde. Das Buch, mittlerweile in der 8. Auflage erschienen, ist eines der einflussreichsten Fachbücher und hat zusätzliches Aufsehen dadurch erhalten, dass die Finanz- und Wirtschaftskrisen von 2008 und 2009 darin vorweggenommen wurden. Als Keynote-Speaker beim 5. Confare CIO & IT-Manager Summit erzählt er, welche Auswirkungen seine Überlegungen auf die Rolle der IT im Unternehmen haben. Im Gespräch erklärt er, warum die IT trotz rasanter technischer Entwicklungen nicht mehr der wichtigste Impulsgeber für Produktivität ist und was das für den CIO bedeutet.
Welche Rolle spielt der Computer in der Wirtschaftsgeschichte?
Er hat uns auf eine neue Stufe des Wohlstandes getragen, er hat uns Zeit und Ressourcen in ungeheurem Ausmaß eingespart, die wir für anderes verwenden konnten. So ist die Wirtschaft stark gewachsen. Statt lange in Karteikarten zu suchen, hatten wir nun die gesuchte Information mit einem Mausklick sofort. Robotersteuerungen ersetzen uns Arbeiter, die nun anderes tun können; Autos wurden billiger und noch leistungsfähiger. Der Computer vermittelt Telefongespräche, die fast nichts kosten. Fastfoodketten oder Autovermieter wurden rentabel, weil der Computer die Logistik übernahm. Doch die Zeit in der der Computer Produktivitätsvorteile bringt ist vorbei: Die strukturierten Wissensarbeiten, die er uns abnehmen konnte, die hat er übernommen. Wir treten auf der Stelle. Die neuen Produktivitätsfortschritte müssen woanders her kommen.
Wodurch werden dann Unternehmen in Zukunft erfolgreich sein?
Der größte Teil der Arbeit ist in Zukunft immateriell: Planen, Organisieren, Beraten, Probleme lösen. Das ist der entscheidende Wettbewerbsunterschied der Zukunft: Kapital kann jeder in jedem Land der Welt leihen, jeder kann weltweit seine Maschine kaufen, das Wissen der Menschheit ist weltweit abrufbar, jeder kann über Internetplattformen seine Produkte weltweit verkaufen. Der einzige und entscheidende Unterschied wird in Zukunft die Fähigkeit der Menschen vor Ort sein, mit Wissen umzugehen. Aber Umgang mit Wissen ist immer auch Umgang mit anderen Menschen, die wir unterschiedlich gut kennen, unterschiedlich gerne mögen, und mit denen wir unterschiedlich viele berechtigte Interessensgegensätze haben. Die Leute streiten ja im Beruf meistens nicht deswegen, weil sie böse Menschen sind, sondern weil es berechtigte Gegensätze um die knappen Ressourcen in einer Firma gibt. Die Frage ist, in welcher Kultur das ausgefochten wird, ob hintenherum, über die Vorstands-Connection vom Golfen oder aber transparent, wo sich das bessere Argument durchsetzt und ein halbes Jahr später noch nachvollziehbar ist, was die Grundlagen einer Entscheidung waren.
Welche Rolle soll der Chief Information Officer dabei im Unternehmen spielen und wie kann er zu dessen Erfolg beitragen?
Die IT verändert in der aktuellen Situation ihre Rolle weg vom Produktivitätstreiber, der Zeit und Ressourcen einspart, hin zum Tool der Wissensarbeiter, die nun selber zur Quelle des Wachstums werden. Drei mittelmäßige Leute, die gut zusammenarbeiten, sind bedeutend produktiver als der super Crack, dessen hervorragende Ergebnisse jedoch nicht in die Arbeitsteilung im Unternehmen eingliederbar sind.
Wie hat die IT zu mehr Produktivität beigetragen? Die technische Ausstattung ist das Eine, hier sind wir die heutigen Unternehmen jedoch inzwischen schon sehr gut aufgestellt. Beim Strukturieren der Informationsabläufe lässt sich auch noch einiges verbessern. Das größte Potential liegt aber in der Arbeitskultur: Schwankende Wichtigkeit nach tagesaktuell gefragter Kompetenz, wahrhaftiger Umgang, Denken vom Ganzen her statt von der eigenen Kostenstelle oder der eigenen Karriere; Demut, im Sinne von: den anderen nicht zu dominieren, wenn es fachlich nicht angebracht ist. Damit wird der CIO über die Technik hinaus zuständig für das Anwenden von Wissen.
Social Networks ändern massiv unser Kommunikationsverhalten? Welche Rolle spielen Sie im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel?
Das kommt darauf an, wie sie genutzt werden. Sie können Zeitfresser sein und zusätzlichen Stress verursachen. Aber sie können auch Meetings ersetzen oder besser vorbereiten, sie können zu schnelleren Entscheidungsabläufen führen, und sie können eine Gruppe von Menschen mobilisieren. Entscheidend ist aber nicht das Medium, sondern die Art, wie wir dort miteinander umgehen, in welcher Kultur und nach welchen Maßstäben. Wir haben als Bauernburschen zwei Generationen gebraucht, um uns an die Strukturen der Wissensgesellschaft zu gewöhnen. Wir werden wohl auch wieder eine Zeit brauchen, bis wir lernen, mit diesen neuen Möglichkeiten so umzugehen, dass sie uns weiterbringen.
Inwieweit sind die europäischen Unternehmen schon fit für neue Perspektiven und wo haben CIO und CEO Handlungsbedarf?
Früher war die Fachkompetenz oben in der Hierarchie und unten hat der gehorsame Arbeiter das genau so gemacht, wie das der schlaue Mann da oben wollte. Inzwischen sind die Aufgaben und die dafür nötigen Kompetenzen so komplex geworden, dass die einzigen, die sich noch auskennen, hierarisch eher unten auf der Ebene der Sachbearbeiter und Facharbeiter angesiedelt sind. Je höher man kommt, umso mehr ist es nun die Aufgabe, die Ressourcen und den Informationsfluss zu gestalten. Man muss die Leute zu fragen: Was braucht ihr, um Eure Aufgabe gut zu machen? Dadurch entstehen mehr Schnittstellen als früher und daher auch mehr Gründe, sich zu streiten. Mit diesem neuen Paradigma tun wir uns noch schwer, aber die anderen auf der Welt tun sich noch viel schwerer damit, die dafür nötige Balance zwischen Individuum und dem Wohl des Ganzen neu zu finden. Deswegen bin ich optimistisch, dass der nächste Strukturzyklus bei uns in Mitteleuropa seinen Anfang macht.
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