Eric-Jan Kaak hat als CIO von Blizzard den CIO AWARD gewonnen und ist mittlerweile als Senior Agile Coach bei IcoSense damit befasst Unternehmen fit für die Digitale Transformation zu machen. Im ersten Teil unseres 2-teiligen Blogs beantwortet er, was Design Thinking ist und warum eine solche Methode gerade jetzt wichtig ist.
23. September - Workshop "Design Thinking für Führungskräfte Schweiz"
Innovationsnotwendigkeit
Es muss also neugedacht werden. Dazu sind wiederum nur
Menschen in der Lage. Nur sie können radikal neue Ideen entwickeln und
umsetzen. Nur der Mensch kann in großen sozialen Gruppen innovativ arbeiten und
nur er ist in der Lage, Lösungen auf der Grundlage eines gemeinsamen
Verständnisses zu entwickeln. Dafür gibt es eine unabdingbare Bedingung:
Kreativität.
Das Problem: Die Effektivitäts- und Effizienzmafia hat mit
ihrem derzeit gültigen Modell, in dem Firmen wie Maschinen funktionieren, die
Kreativität systematisch aus den Organisationen hinausgetrieben: Übertriebene
Standardisierungen, ISO-Zertifizierungen, "Management by Objectives",
Individualbonusprogramme – um nur einige Methoden zu nennen – haben die Firmen zu starren bürokratischen
Monstern verkommen lassen, die sich fast nur noch selbst verwalten.
Hinzu kommt: Diese Einengungen machen krank. Laut
Ärztekammer leiden 500.000 Österreicher unter Burnout, weitere 1,1 Millionen
sind gefährdet. Fast jede vierte Invaliditätspensionierung erfolgt aufgrund
einer psychiatrischen Erkrankung. Schuld daran sind nicht die Menschen, schuld
sind die Leistungssysteme, in denen sie unter dem Deckmantel der
Gewinnmaximierung in den Ruin getrieben werden. Auch laut dem WHO-Report
"Global Burden of Disease" sind in den reichen Ländern psychische
Störungen die größte Krankheitslast in Form verlorener Lebensqualität und
Lebensjahre.
Den Menschen ist in ihrer täglichen Arbeit der Sinn
weitgehend abhandengekommen: Warum arbeite ich? – Für was ist meine Firma da? –
Was ist der Sinn unseres Handelns? Die Ärztin Leibovici-Mühlberger empfiehlt in
ihrem Buch "Die Burn-Out Lüge" Dynamisches, Unvorhergesehenes,
Herausforderndes im Leben wieder zuzulassen. Neugierig und offen gegenüber
seiner Umwelt und seinen Mitmenschen zu sein. Und da die Arbeit ein nicht
unbeträchtlicher Teil unseres Lebens ist, gilt gleiches natürlich auch hier.
Wir müssen also auch im beruflichen Umfeld sowohl aus
ökonomischen, aber auch psychologischen Gründen wieder lernen, Kreativität,
Experimentierfreude und Sinn zuzulassen. Das fällt vielen Unternehmungen im
Kontext vorgegebener Stellenbeschreibungen, Reisekostenrichtlinien,
Organigrammdiskussionen, Zielvereinbarungen, Mitarbeitermotivationsseminaren,
einem regulierten Vorschlagswesen und sonstigen Instrumenten des Managements
natürlich nicht leicht. Die Effektivitäts- und Effizienzmafia hat über viele
Jahre hinweg ganze Arbeit geleistet.
Die offene Wunde der Industriegesellschaft
Gehen wir an dieser Stelle nochmal einen Schritt zurück: Der
Kern der Massenproduktion war ihre Planbarkeit. Das haben wir alle so an den
Betriebswirtschaftsschulen dieser Welt gelernt. Vertriebsplan,
Investitionsplan, Personalplan, Kostenstellenplan, Beschaffungsplan, Finanzplan
usw. waren und sind meist immer noch die Basis unseres Tuns. Folge dem Plan und
alles wird gut. Abweichungen vom Plan werden bekämpft, Abweichler bestraft. Konformisten
bekommen den Bonus. Diese Planbarkeit geht in der globalen, komplexen, immer
stärker vernetzten Welt verloren. Die im letzten Jahrhundert groß gewordenen
Unternehmen kämpfen heute systemisch und emotional damit, dass diese
Planbarkeit fehlt und auch nicht wiederkommen wird. Die neuen Ansätze wie
Design Thinking, Agile Methoden oder Lean Startup legen hingegen ihre digitalen
Finger konsequent in diese offenen Wunden der Industriegesellschaft.
Hinzu kommt, dass die Notwendigkeit zu radikaler Kreativität
nicht die einzige Herausforderung ist. Die neuen Produktionsmethoden und
Nutzerfragen sind derart dynamisch, dass Firmen sehr innovativ sein müssen, um
überhaupt am Markt überleben zu können. Digitalisierung ändert die Herstellung,
die Distribution und den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen in
ungeahnter Art und Weise. Aber auch Kunden sind heutzutage keine passiven
Konsumenten mehr, sondern vernetzt und sehr kritisch. Sie sind auch weniger
loyal gegenüber ihren Marken, verlangen aber gleichzeitig die absolute
Kundenorientierung ihrer Lieferanten.
Die Antwort der Unternehmen darauf, das Zauberwort
sozusagen, lautete "Kundenerlebnis". Da aber nun alle dieses
Zauberwort verinnerlicht haben, ist es auch kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Ein
neues Credo ist daher an seine Stelle getreten: In der heutigen Welt von
Überangebot und Social Media dreht sich nunmehr alles um persönliche Relevanz.
Sie ersetzt das "Erlebnis", steht für "Bedeutung" – und
somit wieder für mehr Sinn.
Diese Entwicklung impliziert, dass ein Kunde den Wert eines
Produktes nicht mehr festmacht an seinem Preis oder der Marke, sondern daran,
welchen Beitrag dieses Produkt für die Erfüllung seiner persönlichen Ziele
leisten kann. Anders formuliert: eine Person will nicht mit dem Zug reisen,
sondern sie will nach Hause kommen. Sie mag keine warme Jacke haben, sondern
eine sportive Ausstrahlung. Sie will nicht ins Fitness-Studio, sondern länger
leben. Die Erreichung der persönlichen Ziele beziehungsweise die Befriedigung
von Grundbedürfnissen werden somit zum Maßstab, mit dem Produkte oder
Dienstleistungen bewertet und dann gekauft werden – oder auch nicht. Und
nachdem die Bedürfnisse erfüllt sind, wird das gute Gefühl (oder die schlechte
Erfahrung) via Social Media dann mit der ganzen Welt geteilt.
Das neue Zauberwort lautet somit "Social
Business". Es bedeutet, dass Firmen FÜR, und inzwischen auch MIT ihren
Kunden, "Werte" generieren. Ausschlaggebende Erfolgsfaktoren sind
dabei Empathie für Menschen, vernetztes Denken und Handeln sowie Kreativität.
Nicht der ökonomische Gewinn steht im Vordergrund, sondern die Zusammenarbeit
mit Stakeholdern zur Erreichung gemeinsamer Ziele oder der Befriedigung von
Bedürfnissen.
Das klingt alles sehr ambitioniert, aber leider gibt es
keine einfachen Erfolgsrezepte. Womit wir wieder am Ausgangspunkt wären – denn
hier hilft nur noch eine menschliche Eigenschaft, die uns in der
Industriegesellschaft leider weitgehend ausgetrieben wurde: Kreativität.
Was ist Design Thinking genau? Und warum jetzt?
Beim Design Thinking geht es darum, mittels Kreativität
Neues entstehen zu lassen.Der Stellenwert von Design an sich ist ja längst akzeptiert – Firmen haben schon lange herausgefunden, dass gutes Design ein wesentlicher Faktor für den Erfolg eines Produktes sein kann. Beim Design Thinking werden nun die Kreativitätsmethoden der Designer gekreuzt mit den Anforderungen und Bedürfnissen anderer Bereiche. Das ist einigermaßen naheliegend. Denn Unternehmer, Manager, Marketing- und Produktionsverantwortliche oder Finanzleute entwerfen ja auch tagtäglich Neues: Businessmodelle, Ablaufprozesse, Projekte, Arbeitsanforderungen – wobei die bereits erwähnten Innovationsanforderungen auch bei diesen Themen immer höher werden und immer häufiger auch unbekanntes Terrain betreten werden muss. Da wird Kreativität wichtiger denn je – wenn etwas nicht mehr planbar ist, müssen zwangsläufig neue Wege beschritten werden. Die Methoden und Techniken der Designer bekommen damit plötzlich neue Einsatzfelder, abseits des reinen Produkts.
Design Thinking ist also eine Ansammlung von Methoden und
Techniken, die Designer zur Gestaltung von Produkten oder Objekten verwenden,
umgemünzt auf andere Geschäftsbereiche, Prozesse, Einsatzfelder oder sonstige
Herausforderungen. Die einfachste Variante ist das Brainstorming. Aber es
existiert eine Vielzahl weiterer Methoden, die verwendet werden können, um
kreative Lösungen zu finden. Diese Methoden erobern gegenwärtig Firmen in aller
Welt, die sich den neuen marktwirtschaftlichen Realitäten im 21. Jahrhunderts
stellen müssen.
Mit anderen Worten: Nicht nur Produkte oder Objekte werden
mit Design Thinking neu gestaltet. Unter dem Namen "Service Design"
entstehen neue Dienstleistungen, Arbeitsweisen, Businessmodelle,
Service-Innovationen oder Marketingkampagnen. Und unter dem Namen "Social
Design" werden gesellschaftliche Probleme wie Armut, Umweltverschmutzung,
Klimaschutz, Städtebau und vieles mehr neu betrachtet, bewertet und gestaltet.
Zusammengefasst steht "Design Thinking" damit für
alle kreativen Methoden und Techniken, die bei der Lösung verschiedenster
Probleme verwendet werden können. Darüber hinaus liefert es auch neue Ansätze
für die Gestaltung innovativer Strategien und Arbeitsweisen. Aber egal, wie und
wo Design Thinking zum Einsatz kommt, es ist einfach faszinierend zu
beobachten, wie diese kreativen Methoden uns helfen, Kreativität für Menschen
und Organisationen wieder erlebbar zu machen.
(Wie Design-Thinking-Prozesse ablaufen, werden wir im
Zweiten Teil des Blogs erläutern)23. September - Workshop "Design Thinking für Führungskräfte Schweiz"
Mehr auf www.confare.at und www.icosense.com
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