Eric-Jan Kaak hat als CIO von Blizzard den CIO AWARD gewonnen und ist mittlerweile als Senior Agile Coach bei IcoSense damit befasst Unternehmen fit für die Digitale Transformation zu machen. Am 15. Juni findet der Workshop „Design Thinking für Führungskräfte“ statt. Wie verändert Design Thinking unsere Herangehensweise an die täglichen Herausforderungen?
Schematisch betrachtet, ist die rechte Seite unseres Gehirns
vor allem verantwortlich für die Kreativität. Hier befinden sich die
wichtigsten Areale für Fantasie, Emotionen, Einbildung und Musik. Die linke
Seite dagegen ist die logische Hälfte, konzentriert sich auf Fakten und
Details. Kreativen Menschen wird nachgesagt, dass sie eine weiter entwickelte
rechte Gehirnhälfte haben. Ob das nun so stimmt oder nicht, ist letztlich
nachrangig, richtig aber ist, dass Design mehr ist als Kreativität. Denn es
geht nicht um die Idee allein, sondern vor allem um den praktischen Nutzen und
gute Resultate.
In seinem Buch "Change by Design" erklärt Tim
Brown, CEO der US Firma IDEO, die Unterschiede zwischen traditionellen und
kreativen Herangehensweisen bei der Lösung von Problemen. Der größte
Unterschied besteht laut Brown darin, dass Design Thinker nicht nur analytisch,
sondern auch kreativ denken, vieles sofort ausprobieren und immer wieder
versuchen, die Perspektive des schlussendlichen "Kunden"/"Users"
einzunehmen. Sie verwenden beide Gehirnhälften also vollkommen synergetisch.
Wohingegen weniger kreative Menschen oder rationale Organisation ihren
Problemen mit einem sehr linear-logischen Ansatz begegnen: Ich habe ein Problem
– analysiere dieses Problem – überlege eine passende Lösung – und starte
Aktionen. Danach wird kontrolliert, ob die Maßnahmen funktioniert haben.
Ein solcher analytischer Ansatz ist nicht per se falsch, er
vertieft das bestehende Wissen, erlaubt kontinuierliche Verbesserungen an
Produkten oder optimiert bestehende Prozesse. Dabei werden die Spielregeln
grundsätzlich nicht geändert, alles bleibt im Prinzip beim Alten. Analytisches
Denken und die daraus entstehenden Vorgehensweisen funktionieren also sehr gut
– wenn es angewandt wird auf Bestehendes.
Doch hier genau liegt auch das Problem: Die
Rahmenbedingungen werden als gegeben betrachtet. Aber alles was da ist, müsste
möglicherweise gar nicht da sein. Es ist von Menschen erdacht und gemacht
worden. Also warum könnte es nicht anders oder besser sein?
(Exkurs: klassische Entscheidungsfindung in Unternehmen -
alle wissen, warum etwas nicht funktioniert
https://www.youtube.com/watch?v=OORnMYoWX9c )
Was macht den Impact von Design Thinking in der Organisation
aus?
Design Thinking hat also nicht nur mit Gestaltung im
künstlerischen Sinn zu tun, es ist ausgerichtet auf das Machen, auf's Tun (Just
Do It), auf's Experimentieren und das Herausfinden von Lösungen, die möglichst
einfach funktionieren.
In der prä-industriellen Gesellschaft wurde Wissen über
Erfahrung vermittelt – Menschen wurden zu Experten auf ihrem Gebiet, weil sie
Dinge getan und daraus ihre Lehren gezogen haben. Dieser Mechanismus zeigt:
Wenn es eine Freiheit des Handelns gibt, werden Menschen ihre Kreativität
(meist) dazu einsetzen, um zu Experten zu werden. Kreativität ist damit eine
Eigenschaft, die wir alle in uns tragen. Kinder lernen Spiele durch Übung und
Wiederholung und lernen damit gleichzeitig, bestimmte Spielregeln zu
beherrschen: Übung macht den Meister. Wenn die Regeln einmal verstanden sind,
werden die meisten Kinder diese Regeln kreativ ändern, um Varianten des Spiels
auszuprobieren. Spielen ist also wie eine Schule, in der man lernt, mit
Komplexität umzugehen. Ein Meister seines Faches wird man, wenn man versteht,
beherrscht und auf dieser Basis neue Varianten gestaltet kann, wodurch wiederum
Neues entsteht. Wenn also Erfahrung und Routine mit intuitiven (kreativen)
Sprüngen kombiniert wird – dann können durchaus magische Dinge entstehen.
Am Arbeitsplatz funktioniert dieser spielerische Grundsatz
auch – allerdings mit spürbaren wirtschaftlichen Konsequenzen: Kunden
akquirieren, neue Geschäftsmodelle entwickeln, Geld verdienen. Design Thinking
bietet hier einen perfekten Ansatz, neue Wege zu beschreiten, um damit die
optimale Funktionalität eines Produkts oder einer Dienstleistung zu erreichen.
Unter anderem hat Alex Osterwalder mit seinen Büchern "Business Model
Generation" und "Value Proposition Design" gezeigt, wie
Kreativität eingesetzt werden kann, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Im Grundsatz geht es darum, die Grenzen des Möglichen
auszuloten, neue Optionen zu generieren um letztlich wertvolle Dienste für den
Kunden anzubieten.
Traditionelles Denken
·
Makellose Planung
·
Gründliche Analyse
·
Präsentationen
·
Kundennähe
·
Periodisch
·
Denken
Design Thinking
·
Gründliche Prüfung & Fehler
·
Schnelle Fehler
·
Gründliche Testverfahren
·
Kleine Experimente
·
Starke Kundenbindung
·
Durchgehend
·
Machen
Was sind die
notwendigen Schritte um mit Design Thinking zu starten?
Es gibt, wie bei fast allen Konzepten, auch beim Design
Thinking verschiedene Ansätze und Herangehensweisen. Ich werde mich hier jedoch
auf die fünf Basisschritte konzentrieren, die immer wieder in einem ähnlichen
Muster durchlaufen werden. Charakteristisch sind die sich regelmäßig
wiederholenden Wellenbewegungen, die jeden Prozess begleiten: auf eine sich
entfernende Bewegung, bei der es darum geht, immer weiter und abstrakter zu
denken (Divergenz) folgt eine sich schließende Bewegung (Konvergenz), um die besten
Ideen zu selektieren und nicht-machbare Optionen auszuschließen.
Da Design Thinking eigentlich ein kreativer Prozess ist,
scheint es zumindest ungewöhnlich, feste Regeln oder Phasen zu definieren.
Daher sind diese Phasen auch nicht absolut zu verstehen, sondern überlappen
einander immer wieder. Dies ist ausdrücklich erlaubt und gewollt. Die einzelnen
Schritte sind auch keine Einbahnstraßen (Stage Gates).
Die fünf Phasen:
1. Einfühlen/Verstehen : Die erste Phase beschreibt die
Grundlage eines auf den Menschen und seine Bedürfnisse ausgerichteten
Designprozesses, der notwendig ist, um sich einem bestimmten Thema/Problem
anzunähern.
In dieser Phase, die von Designern "Fuzzy Front
End" genannt wird, geht es darum, gezielt herauszufinden, womit man sich
im Folgenden beschäftigen wird. Hier werden die klassischen Fragen gestellt:
Worum geht es eigentlich? Was ist das Problem? Für wen? Warum? Wo? Wen betrifft
es? Wer ist der User und was beschäftigt ihn? Wie viel Zeit haben wir? Was sind
die zu erwartenden maximalen Kosten?
Die alles entscheidende Leitfrage schließlich lautet:
"Wie können wir ...?" Ihr liegt die Überzeugung zugrunde ist, dass es
für alles eine Lösung gibt – vorausgesetzt man stellt die richtige Fragen. Die
besondere Stärke des Ansatzes liegt dabei darin, so viele Fragen wie möglich zu
stellen, ohne jedoch zu urteilen. Unbedeutende Details und spontane Einfälle
können so zur Grundlage für spätere Lösungen werden.
2. Definieren: Empathische, auf den Menschen und seine
Befindlichkeiten ausgerichtete Erkenntnisse werden entpackt (divergiert) und
wiederum zu neuen Einsichten über wesentliche Bedürfnisse und ihre mögliche
Befriedigung verschmolzen (konvergiert).
In dieser Phase wird nach der zusammenhängenden Geschichte
gesucht. Dazu werden die vorliegenden
Informationen auf eventuell vorliegende Muster hin überprüft, ihre Bedeutung
bewertet. Hier werden auch erste falsche Einschätzungen und Ideen wieder
verworfen.
3. Ideenfindung: In dieser Phase wird die Herangehensweise
zum Designprozess definiert, wobei der Fokus auf der Generierung von Ideen
liegt.
Die typischen Fragestellungen in dieser Phase lauten: Welche
Ideen liegen auf dem Tisch? Und welche haben das Potential, näher betrachtet zu
werden? Ziel ist es, den Lösungsraum zu erkunden und eine große Anzahl von
Ideen zu sammeln, um eine maximal breite Auswahl an möglichen Alternativen zu
erhalten. Ideen werden gemischt und aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet:
Etwa, was wäre, wenn die "Goldene Idee" mit der Hälfte des Budgets
umgesetzt werden könnte? Hier findet auch eine Selektion von Ideen statt, auf
deren Grundlage dann Prototypen entwickelt werden können.
4. Prototyping: Bei diesem Schritt werden Ideen und
Beobachtungen aus dem Kopf in die physische Welt übertragen.
In traditionellen Pilotprojekten wird meist nur ein Prototyp
entwickelt – im Design Thinking steht hingegen das Prototyping rund um
verschiedene Ideen auf der Agenda. Ein Prototyp kann dabei ganz
unterschiedliche Formen annehmen: Post-it-Zettel, Rollenspiele, Räume, Objekte,
Storyboards, etc. Eine wichtige Regel lautet: Prototypen sollen so allgemein
wie möglich gehalten werden, damit man sie in viele verschiedene Richtungen
weiterentwickeln kann. Zudem sind diejenigen Prototypen erfolgreicher, die
ausprobiert und benutzt werden können. Denn alles, was im Umgang mit ihnen
erfahren und gelernt werden kann, schafft ein besseres Einfühlungsvermögen und
führt zu potenziell erfolgreicheren Lösungen.
5. Testen/Implementieren: Hier liegt die Chance zur
Verfeinerung und Verbesserung gefundener Lösungen.
Dazu werden Szenarien mit den Prototypen durchgespielt: Was
würde passieren, wenn wir richtig lägen, was, wenn wir falsch liegen?
Idealerweise werden unterschiedliche Szenarien mehrfach durchgespielt – denn
nichts ist schlimmer als die Verliebtheit in die eigene oder erste Lösung.
Wohin führt dieser Weg?
Zu diesem fünf-Phasen-Ansatz gehört es auch, aus allen
Phasen Lehren zu ziehen, damit tatsächlich Besseres entstehen kann. Darüber
hinaus sollten Design-Thinking-Teams idealerweise aus Personen unterschiedlicher
Fachbereiche bestehen – also aus Kollegen, die eher selten miteinander
arbeiten. Damit werden mehrere Iterations-Runden, insbesondere auch im Hinblick
auf das Teamgefüge, wichtig. Denn sie schaffen meist erst die notwendige
Offenheit und Vertrauen, um die Interaktion zu stärken und den besten Ideen zum
Durchbruch zu verhelfen. Diese Iterationen sind vor allem für Charaktere
wichtig, die etwas mehr Zeit brauchen, um mit der Methode und/oder dem Team
warm zu werden. Sie fühlen sich dann sicherer und schöpfen leichter aus ihrem
Kreativpotential. Dabei tritt nicht selten etwas Spannendes zu Tage, was
möglicherweise bei nur einer Iteration verloren gegangen wäre.
Design Thinking lebt also von Menschen und deren
Interaktion. Es lebt vom Zeigen und Ausprobieren – und nicht vom Erzählen. Es lebt davon, dass
Ideen lebendig werden.
Dafür muss experimentiert werden dürfen. Erst mit Hilfe von
Experimenten werden Ideen Realität und lernen die Teilnehmer aus den Reaktionen
auf den jeweiligen Prototyp.
Wie aber führt man Design Thinking jetzt nun erfolgreich
ein? Es funktioniert jedenfalls nicht, ein solches kreatives Konzept mittels Seminaren oder Zertifizierungen einer Organisation einfach nur überzustülpen und dann wird alles gut. Design Thinking ist eine Denkweise, eine Philosophie, die am besten im ganzen Unternehmen gelebt und akzeptiert werden muss – man kann das nicht verordnen. Sie wird durch Erfahrung getragen, durch Mitarbeiter mit viel Praxiswissen, durch Experimentieren und immer wieder neu anfangen. Im Design Thinking manifestiert sich die inhärente Bedeutung des Begriffes "Lernen". Der Erfolg des Ansatzes innerhalb einer Organisation hängt in erster Linie davon ab, in welchem Umfang sie es zulässt, dieses neue Denken in ihre Strukturen hineinwachsen zu lassen, sie dort zu entwickeln, aber vor allem auch von der Bereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Thema im wahrsten Sinne des Wortes zu "umarmen". Daher ist es ratsam, zunächst eine kleine interdisziplinäre Gruppe mit Design Thinking Ansätzen experimentieren zu lassen und deren Erfahrungen dann mit der Gesamtorganisation zu teilen. So kann das Thema evolutionär im gesamten Unternehmen Fuß fassen.
Design Thinking unterscheidet sich von anderen
Innovationsansätzen durch die Betonung auf den Menschen und seine
Bedürfnisse. Welche Bedürfnisse haben
wir? Nicht, was wollen wir den Menschen verkaufen? Dem Design Thinking liegt
damit ganz klar ein anthropologischer Ansatz
zugrunde – Design Thinking konzentriert sich auf den Menschen und
versucht, dessen Bedürfnisse zu ergründen. Dadurch besitzt der Ansatz das
Potential, Produkte oder Dienstleistungen einen Sinn zu geben. Und Sinn ist
etwas, das Menschen motiviert, gute Arbeit zu leisten.
23. September - Workshop "Design Thinking für Führungskräfte Schweiz"
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